28.06.2025 14:17

Eleonore Dupuis - Russlandreise 29. April – 14. Mai 2025

Lieber Leser, liebe Leserin,

Eleonore Dupuis, unsere Botschafterin der Russenkinder war wieder auf Reisen und hat einen Reisebericht verfasst:

Russlandreise 29. April – 14. Mai 2025

Die Reise nach Russland hatte ich sorgfältig vorbereitet: Flugtickets und Visa rechtzeitig organisiert, der Koffer gepackt – alles schien bereit.

Dafür gab es am Flughafen Wien beim Check-in die erste Komplikation: der ursprünglich gebuchte Weiterflug von Baku nach Moskau war gestrichen. Statt um 22:50 sollte der Flug nun erst nach Mitternacht in Moskau landen – mit ungewisser Verzögerung. Ich verständigte Elena, die Nichte von Monika, die mich abholen sollte. Sie zeigte Verständnis, doch mir war die Situation sehr unangenehm.

Nach einem ruhigen Flug nach Baku folgte ein langweiliger Aufenthalt: lange Kontrollen, zwar freundliche Beamte, aber auch weitere Verspätungen. Schön war nur die moderne, großzügige Wartehalle mit genügend Sitzplätzen. In den frühen Morgenstunden kam ich schließlich in Moskau an.

Moskau

Trotz der Verspätung wurde ich herzlich von Lena und Pavel empfangen. Sie fuhren mich zu ihrer Datscha südlich von Vnukovo. Nach einer kurzen Nacht ging es direkt weiter: Lena begleitete mich zum Pavelezkij-Bahnhof zur Aufbewahrung meines Gepäcks. Zum Glück war sie mit, denn derzeit kann man in Russland nur mit russischer Karte bezahlen.

Ich war sehr gespannt auf das Treffen mit Ljudmila Skakovskaia im Gebäude des Föderationsrates. In feierlicher Atmosphäre präsentierte man mir eine neue Spur zum möglichen Vater: ein Dokument aus dem Zentralarchiv, das nur mit Hilfe offizieller Kontakte zugänglich war. Es war ein emotionaler Moment nach mehr als 25 Jahren Suche: Hoffnung, aber auch Skepsis. Zum Schluss wurde ich noch von einer Journalistin interviewt. Am Abend ging es weiter nach Saratov – im Liegewagenabteil, zusammen mit einem schnarchenden Ehepaar, das sich jedoch am Morgen als sehr nett und herzlich erwies.

Saratov

In Saratov erwarteten mich Maria und ihr Mann Artjom am Bahnsteig. Obwohl wir uns bisher nur per E-Mail kannten, war der Empfang herzlich wie bei alten Freunden. Erste Unternehmung: eine Fahrt zur Datscha – mit Blick auf die imposante Wolgabrücke, die einst die längste Brücke der Welt war.  Ein halb-wilder, natürlicher Garten war wie Balsam auf die Seele. Nach diesem entspannten Tag mit Grillen folgte eine Stadtbesichtigung unter der professionellen Führung von Kristina, ein Abendessen im Restaurant mit Überraschungstorte und eine Begegnung mit der Journalistin Nadjeschda, die besonders an der Geschichte meiner Mutter interessiert war.

Die Filmvorführungen – eine im Jugendzentrum, die andere in einer Kaffeerösterei – waren unterschiedlich besucht, aber stets von engagiertem Publikum begleitet. Insbesondere die Diskussion im Café zeigte das große Interesse der Besucher und führte zu einem wichtigen neuen Kontakt: Tatjana Zorina, die Leiterin des Filmfestivals „Saratovskije Stradanija“. Trotz anfänglicher Zurückhaltung zeigte sie sich offen für eine Festivalteilnahme des Films. Ich freute mich, die gute Nachricht an Natalia Spiridonova zu übermitteln.

Sehr schön war auch der Besuch im Park des Sieges mit dem Denkmal für den Zweiten Weltkrieg. Der Beitrag Saratovs als Versorgungsstadt während des Krieges wurde im dazugehörigen Museum eindrucksvoll dargestellt.

Twer

Die Reise ging weiter nach Twer. Erneut empfingen mich vertraute Menschen – meine Freundin Lena und ihr Sohn Dima. Bei Lena durfte ich die ganze Zeit wohnen. Der folgende Tag begann früh um sieben Uhr mit einer Fahrt nach Vischny Volotschok. Eine Führung durch die Stadt musste wegen Regen und Kälte abgebrochen werden. Doch die Filmvorführung in der Schule war ein voller Erfolg. Die Schüler waren begeistert, stellten viele Fragen und wollten Autogramme und Fotos. Ich übergab Juri Jurtschenko ein Exemplar der gekürzten Ausgabe des Buches „Von Stalingrad nach Wien“, das am 13. Mai 2025 von der Russischen Botschaft in Wien anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung Wiens herausgegeben wurde.

Am nächsten Tag wurde der Film in der Gorki-Bibliothek für Studierende der Geschichtsfakultät gezeigt. Danach ein gemütliches Zusammensein mit Veteranen „Kinder des Krieges“. Sie hatten viel zu erzählen. Ich übergab ein weiteres Exemplar des Buches „Von Stalingrad nach Wien“ an die Gorki-Bibliothek in Twer. Danach folgte ein Besuch im „Museum für Privatsammlungen“ von Maria und Vladimir Lavrenov. Und ich war eingeladen bei einer christlichen Gemeinschaft: mit Gesang, Gebet, Filmvorführung, Lesung aus meinem Buch und intensiven Gesprächen. Überall überwältigten mich die positiven Reaktionen und die Herzlichkeit der Menschen. Hier muss ich erwähnen, dass Olga Leodorova im Voraus das ganze Programm meines Aufenthalts in Twer organisiert hat.

Den 9. Mai, den Tag des Sieges, begingen Lena und ich trotz Regens mit der Niederlegung von Blumen beim Denkmal in Twer und zwei Theatervorführungen. Die Moskauer Parade sahen wir uns im Fernsehen an.  Aus Sicherheitsgründen funktionierte das Internet an diesem Tag nur sporadisch.. Besonders das Stück über die Gründung der Stadt Twer war beeindruckend, ebenso das bewegende Theaterstück über die Blockade von Leningrad.

Ein emotionaler Tiefpunkt war der Besuch am ehemaligen Volynskij-Friedhof: das Grab des vermutlichen Vaters existiert nicht mehr. Der Friedhof war verwildert, nur ein einzelner Mann – Vladimir Pimonov – bemüht sich um den Erhalt des Friedhofs und die Wiederherstellung einzelner Gräber.

Die Stationen der letzten Tage in Twer: eine Filmvorführung vor einfühlsamem Publikum in der Bibliothek von Tschernogubowo, einem Vorort von Twer. Danach ein kulturelles Highlight: wir erhielten Karten für das Konzert des Mariinskij-Orchesters mit dem Dirigenten Valerij Gergiev in der Philharmonie in Twer! Ein unerwartetes Geschenk der Freundin Marina.

Und noch ein Ausflug bei Regenwetter zur ehemaligen Arbeitersiedlung „Morozovskij-Stadt“, ein heute verfallenes, einst visionäres Sozialprojekt des 19. und 20. Jahrhunderts. Wunderschöne Gebäude, die es wert wären, restauriert und erhalten zu werden. Der am letzten Tag geplante Filmabend im Kulturhaus wurde kurzfristig vom Gouverneur abgelehnt – die Gründe blieben unklar. Das war sehr enttäuschend.

Als spirituellen Abschluss bot mir Katja am letzten Tag meines Aufenthalts in Twer den Besuch eines Klosters. Eine Schule für Mädchen, ein gemeinsames Essen, die warmherzige Atmosphäre bleiben in Erinnerung. Zuletzt gab es noch ein Treffen mit Freundin Tanja, bevor der lange Rückweg begann.

Die Heimreise wurde echt mühsam: langes Warten am Moskauer Flughafen, Verspätung, keine Verpflegung, nicht einmal Wasser im Flugzeug, lange Aufenthalte. In Wien angekommen, machte sich die Erschöpfung bemerkbar. Eine Bronchitis zwang mich zu zwei Wochen Ruhe. Dennoch war ich froh, die Krankheit nicht während der Reise erlebt zu haben.

Fazit: Meine Russlandreise war reich an Begegnungen, geprägt von großer Herzlichkeit, kulturellem Austausch und emotionalen Höhepunkten. Der neue Hinweis auf einen möglichen Vater hat wieder meine Hoffnung erweckt, das Wiedersehen mit Freunden, ihr Engagement und die bewundernswerte Organisation, all das machte diese Reise zu einem unvergesslichen Erlebnis. Die positiven Eindrücke überwiegen. Echte Freundschaft und Gastfreundschaft kennen keine Grenzen.

Link zu einer Auswahl von Fotos: photos.app.goo.gl/4yZdSEPdZMEGT22m7

—————

Zurück


Kontakt

www.abgaengig-vermisst.at


Neuigkeiten

05.07.2024 16:07

Fahrt mit der Steyrtalbahn am 30. Juni 2024

Mitglieder und Freunde von „Österreich findet euch“ trafen sich am 30. Juni 2024 in Steyr zur...

Weiterlesen

—————

Alle Artikel

—————


Schlagwörter

Die Schlagwörterliste ist leer.



Angehörigensuche

10.01.2022 16:52

Resultat des Erfolges bei der Suche von Felix`Familie - Eine Reportage der Kronen Zeitung

Wir berichteten bereits am 14. Dezember 2021 über diese Sensation. Erfolg bei der Suche von Felix`Familie Nun hat auch die Kronen Zeitung dieses "Wunder" aufgegriffen. Felix_Kronen_Zeitung.pdf (5205128) Fazit - es lohnt sich, zu suchen.

Weiterlesen

—————

14.12.2021 16:18

Erfolg bei der Suche von Felix`Familie

Eleonore Dupuis - unsere Botschafterin der Russenkinder berichtet von der erfolgreichen Suche: Sensationelle Neuigkeiten! Felix hat seine Familie gefunden! Es ist kaum zu glauben, ein Wunder! Und nur durch die Zusammenarbeit eines ganzen Netzwerks; angefangen in Österreich, über Russland und...

Weiterlesen

—————

18.07.2021 15:27

Auf der Suche nach Besatzungs/Befreiungskindern - Berichte der Kronen Zeitung

Wenngleich die Suche der Besatzungs/Befreiungskinder auch sehr mühevoll ist, so wird die Suche doch immer wieder belohnt. Hier finden Sie zwei Artikel der Kronen Zeitung, die darüber berichten. Es lohnt sich, zu lesen! x_Reportage - Muttertag_2021.pdf (5625427) Krone_18_7_2021.pdf...

Weiterlesen

—————

02.05.2021 14:14

Sohn des Vaters Ivan Bogdanov, 1923 geboren, Artillerietechniker - zuletzt Baden stationiert - wird gesucht

Folgende Zeilen haben uns erreicht. Guten Tag, sehr geehrte Damen und Herren! Mein Name ist Nina Bogdanova. Ich lebe in einem kleinen Ort Lalsk Kirov Region, etwa 900 km nordöstlich von Moskau. Mein Vater ging von hier in den Krieg, kehrte dann zurück und lebte hier für den Rest seines Lebens. Ich...

Weiterlesen

—————

23.11.2020 18:29

Enkelin sucht Wiener Familie, die ihrem Großvater das Leben gerettet hat

Schpakov Pjotr Danilowitsch, geb. 1920 im Gebiet Smolensk, wurde im Jahr 1941 verletzt, gefangen genommen und zur Zwangsarbeit nach Österreich gebracht. Er erzählte, dass er in Wien irgendwo im Zentrum bei der Arbeitsgruppe bzw. Arbeitskommando Nr. 1289 arbeiten musste. In der Nähe war eine große...

Weiterlesen

—————

07.06.2020 10:44

Katharina sucht ihren Großvater Pepi

Die Geschichte: Etwa 1945 war Katharinas Oma Gerda, nachdem ihr Mann im Krieg als gefallen vermutet wurde,  bei einer Familie in Fuchsengraben bei Linz mit ihren beiden Töchtern untergekommen. Dort lernte sie einen verwundeten österreichischen oder deutschen Soldaten mit Namen „Pepi“ kennen...

Weiterlesen

—————

03.01.2020 17:27

Großvater Johann oder Joan gesucht – offensichtlich serbischer Herkunft

Großvater Johann (Joan) war serbischer Kriegsgefangener und wurde jedenfalls 1943 und Beginn 1944 zur Landarbeit in der „PUHRMÜHLE“ in Kefermarkt, wenige Kilometer von Freistadt (Oberösterreich) herangezogen. Das Kind von Johann (Joan) kam am 1.Februar 1944 zur Welt. Der Kindesvater wusste von dem...

Weiterlesen

—————

22.09.2019 14:41

Achtung - Raum Wr. Neustadt - Um 1946 - Schauplatz Schloss Katzelsdorf – Greta, eine Kindesmutter, sowie deren Angehörige werden gesucht.

Über Ersuchen des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung unterstützen wir folgende Angehörigensuche mit dem Ziel einer glücklichen Familienzusammenführung: 1946 gebar Greta – dem Vernehmen nach eine Bewohnerin des Schlosses Katzelsdorf bei Wr. Neustadt einen Sohn. Der Kindesvater war...

Weiterlesen

—————

18.08.2019 17:01

Vater – möglicherweise aus Marokko – eines Besatzungskindes gesucht.

Das Besatzungskind, ein Mädchen,  wurde am 10. Dezember 1946 in Breitenwang/Tirol geboren. Leider fehlen weitere Informationen zum Vater. Er wurde Abdullah genannt und er dürfte über seine Vaterschaft gewusst haben. Wie in vielen Fällen üblich, hatte die Mutter zu Lebzeiten nie mit ihrer...

Weiterlesen

—————

31.07.2019 20:36

Angehörige von Augustin Schuha, 30 September 1911 in Hollabrunn geboren - gefallen am 22. Juli 1943 bei Prudok - gesucht

Menschen brauchen Wurzeln und sie suchen ihre Angehörigen. Ein Mitglied unserer Community hat nun mit 83 Jahren endlich seinen Vater gefunden. Er hat uns gebeten, die nun folgenden Daten zu veröffentlichen, in der Hoffnung, es melden sich weitere Angehörige: Name des Vaters: Augustin SCHUHA, geb....

Weiterlesen

—————