Abgängigenfahndung in Wien - Kurzdarstellung Lage 2014 - Gespräch mit Fachbereichsleiter „Abgängigkeit“ Chefinspektor Robert Staber
Wien ist mit 1.793.667 Einwohnern (Statistik Austria – 1. Oktober 2014) das an Bevölkerung stärkste Bundesland. So zeigt es sich nicht verwunderlich, dass sich dieses Faktum auch auf die Anzahl der erstatteten Abgängigkeitsanzeigen auswirkt und in Wien alljährlich die meisten Abgängigkeitsanzeigen Österreichs erfolgen. Im Berichtsjahr 2014 waren das bis zum Stichtag 18. Dezember 3.284 gemeldete Abgängige! Mathematisch betrachtet ergibt das eine Gesamtjahreszahl von 3401 Abgängigkeiten für 2014. Das entspricht etwa 9 Abgängige pro Tag!
9 Menschen also, die täglich verschwinden – das klingt auf den ersten Blick doch beachtlich. Doch sieht man genauer hin, dann wird klar, dass tatsächlich kein Grund zur Sorge vorliegt. Zum einen lässt sich die vorerst vermeintlich große Anzahl von Abgängigkeitsanzeigen sehr schnell erklären und zum anderen verfügt Wien über einen effektiven Fahndungsmechanismus zur Aufenthaltsermittlung von Abgängigen und Identifizierung unbekannter Leichen. Näheres dazu werde ich im Folgenden schildern.
Am 19. Dezember traf ich mich mit Chefinspektor Robert Staber, Fachbereichsleiter „Abgängigkeit“ des Landeskriminalamtes (Assistenzdienste – AB 01 – Abgängige) der Landespolizeidirektion Wien. CI Robert Staber kenne ich schon aus „meiner Zeit“ der Abgängigenfahndung und ich freute mich daher besonders auf dieses Gespräch. Als ich bei ihm eintraf, war er gerade mit einem Mitfahndungsersuchen aus Niederösterreich beschäftigt. Von der Polizei wurde eine verwirrte Frau aufgegriffen. Alles was sie sagte war: „Ich heiße Brigitte und wohne in einem Heim!“ Wenn man so lange wie ich in diesem Bereich gearbeitet hat und auch so verbunden mit diesem Fachbereich war, dann scheint es wohl mehr als verständlich, dass ich am liebsten gleich „mitgefahndet“ hätte. Und noch während Robert und ich unsere Gesprächsvorbereitungen trafen, erledigte Robert auch schon so nebenbei erfolgreich „die Unbekannte“. Erfolgreiche Routine eines Spezialisten eben!
Warum also durchschnittlich 9 Abgängigkeitsanzeigen pro Tag? Robert erklärte mir nichts Neues. Es sind die vielen Heimzöglinge, also Jungendliche die sozusagen routinemäßig abhauen – Dauerentweicher! Vor Robert liegt eine Mappe mit allen, heuer noch nicht geklärten Abgängigkeitsfällen. Es sind 165. Viel? Nein, man braucht sich darüber keine Sorgen zu machen. Jene Fälle, deren Anzahl Nichtinformierten vielleicht nachdenklich stimmen würde, bergen keine Bedenklichkeit in sich. Neben vielen Dauerentweichern hat sich in die Statistik der Abgängigkeitsanzeigen eine neue Gruppe etabliert – die „UMF“. Das sind „unbegleitete minderjährige (bis unter 18 Jahre) Flüchtlinge (auch als unbegleitete Fremde und Asylwerber/Innen) bezeichnet.
Beleuchten wir also kurz die absolut dominierenden Felder der Abgängigenstatistik.
Die Heimzöglinge:
Sie waren – sind – und werden wahrscheinlich auch in Zukunft die Statistik dominieren. Die Gründe für deren Entweichen aus den Heimen sind vielseitig und eigentlich historisch. Es sind die Abenteurer, die einfach was erleben wollen und es toll finden, etwas Unerlaubtes zu tun; es sind die Suchenden nach Aufmerksamkeit – endlich steht man im Mittelpunkt, man wird gefahndet, man beschäftigt sich mit einem; und es sind – wenngleich in geringer Anzahl – die kriminellen Hintergründe, die zum Entweichen verleiten: Raubzüge, Prostitution, homosexuelle Szene und dergleichen.
Auch wenn in anderen Bundesländern die Problematik „Heimzöglinge“ besteht – Wien hat hier eine doch merklich dominante Szene – dies schon alleine aufgrund der Bevölkerungsdichte. Daraus ergibt sich auch die vermehrte Anzahl an Zöglingsheimen und natürlich deren Bewohner.
Obwohl diese Gruppe der Abgängigkeiten auch die Hauptlast der Statistik trägt, so zeigt dennoch die Analyse, dass den Abgängigkeitsgründen für gewöhnlich keine potentiellen kriminalpolizeilich relevanten Ursachen zu Grunde liegen.
Die „UMF - unbegleitete minderjährige Flüchtlinge/Fremde:
Laut der „UMF – Arbeitsgruppe unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ erreichten im Jahr 2013 etwa 1000 dieser unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge Österreich. Nähere Informationen zu diesem Themenkomplex finden Sie unter https://umf.asyl.at/
Die Abgängigenfahndung ist nun aus zwei Gründen von der Thematik betroffen.
Zum einen, weil in Obsorgeangelegenheiten die unbegleiteten minderjährigen Asylwerber/Innen und Fremden vom Amt für Jugend und Familie vertreten und in Heimen untergebracht werden. Entweicht von hier nun einer dieser UMF, dann muss aus rechtlichen Gründen – weil der Aufsichtspflicht nicht mehr nachgekommen werden kann – eine Abgängigkeitsanzeige erstattet werden.
Zum anderen werden leider auch etliche dieser mittellosen minderjährigen „Heimatsuchenden“ von kriminell organisierten Gruppen schamlos missbraucht und zum Betteln und zu Taschendiebstählen gezwungen. So werden immer wieder „UMF“ bei diesen Handlungen betreten. Sie werden schlussendlich wieder in Heimen untergebracht, von wo viele erneut entweichen. Zusätzlich problematisch zeigt sich der Umstand, dass die meisten keine Ausweispapiere besitzen und somit der Nachweis der tatsächlichen Identität zumeist schwer bis gar nicht möglich ist.
Und eben diese zumeist nicht feststellbare Identität ist auch ein Übel in der Statistik und wie folgt leicht verständlich: Ein Minderjähriger wird in einem Heim mit den von ihm selbst angegebenen Namen und Geburtsdaten – keine Ausweispapiere – untergebracht. Entweicht nun dieser vermeintlich Jugendliche und gelangt in das Ausland, wo er vielleicht wieder unter einem anderen Namen aufgegriffen wird, dann hat die „offene“ Abgängigkeitsanzeige in Österreich die allerschlechtesten Chancen, wiederrufen zu werden.
Ich habe die dargelegte Problematik „UMF“ ausführlicher geschildert, weil deren statistische Auswirkungen nicht unwesentlich sind und bei Fehlinterpretation der Daten ein verfälschtes Bild der tatsächlich sehr erfolgreichen Abgängigenfahndung in Wien entstehen kann.
Die „echten Abgängigkeiten“
Wenngleich rechtlich betrachtet die bereits angesprochen Gruppen selbstverständlich zu den „Abgängigkeiten“ zählen, so haben sich für mich persönlich Profile von Abgängigen herauskristallisiert, denen ich den Begriff „Abgängigkeit“ mit Vorzug zuordnen wollte.
Das sind grundsätzlich Menschen aller Altersgruppen und sozialen Schichten, die plötzlich und unerwartet aus dem Alltag verschwinden. Explizit hier gilt eine sofortige Ursachenforschung und anlassbezogene, den Umständen mögliche Fahndunsmaßnahmen. Hier finden wir unter anderem Selbstmörder, Unfallopfer, verwirrte und orientierungslose Menschen, verlaufene Kinder, Kindesentziehungen und selbstverständlich auch Opfer von Gewaltverbrechen.
Im Fachbereich AB 01 – Abgängige – des Landeskriminalamtes Wien hat CI Robert Staber über all diese Fälle den absoluten Überblick. Alle Abgängigkeiten, unbekannte Leichen und Personen werden hier gemeldet. Ebenso langen Mitfahndungsersuchen von den Bundesländern und Interpol ein. Für den gesamten Fahndungsbereich, bestehend aus „Zielfahndung“, „Hotelkontrolle“ und „Abgängigenfahndung“ stehen insgesamt 12 Beamte/Innen zur Verfügung. Alles in allem also eine kompetente schlagkräftige Mannschaft, die sich auch im kommenden Jahr 2015 den Herausforderungen stellen wird. Waren es im Berichtsjahr 2012 insgesamt 3069 in Wien erstattete Abgängigkeitsanzeigen, werden für das Berichtsjahr 2014 3401 Anzeigen prognostiziert. Das ist ein Mehr um 332 Anzeigen.
Zur Veranschaulichung:
Der folgende Auszug aus dem Abgängigen-Anzeigenprotokoll für Wien, den 18. Dezember 2014 zeigt ein Profil der üblichen Abgängigenlandschaft.
Hannelore S. - geboren 2002, abgängig aus Wien 22
Sebastian L. - geboren 2002, abgängig aus Wien 22
Jennifer K. - geboren 1998, abgängig aus Wien 2
Jasmine F. – geboren 1999, abgängig aus Wien 9
Michelle H. - geboren 1997, abgängig aus Wien 15
Denise R.- geboren 1997, abgängig aus Wien 15
Miroslav R. - geboren 1999, abgängig aus Wien 17
Ömer C. - geboren 1998, abgängig aus Wien 16
Vadzim V. - geboren 1990, abgängig aus Wien 1
Jiang H. - geboren 1997, abgängig aus Wien 12
Mario K. - geboren 1998, abgängig aus Wien 10
Peter R. - geboren 1973, abgängig aus Wien 10
Resümee:
Dem Fachbereich AB 01 wird es auch hin künftig nicht an Arbeit fehlen. Es ist zu erwarten, dass auch in den kommenden Jahren die Anzeigenanzahl nicht sinken wird.
Chefinspektor Robert Staber - Fachbereichsleiter „Abgängigkeit“
—————
Neuigkeiten
Fahrt mit der Steyrtalbahn am 30. Juni 2024
—————
—————
Schlagwörter
Die Schlagwörterliste ist leer.
Angehörigensuche
Resultat des Erfolges bei der Suche von Felix`Familie - Eine Reportage der Kronen Zeitung
—————
Erfolg bei der Suche von Felix`Familie
—————
Auf der Suche nach Besatzungs/Befreiungskindern - Berichte der Kronen Zeitung
—————
Sohn des Vaters Ivan Bogdanov, 1923 geboren, Artillerietechniker - zuletzt Baden stationiert - wird gesucht
—————
Enkelin sucht Wiener Familie, die ihrem Großvater das Leben gerettet hat
—————
Katharina sucht ihren Großvater Pepi
—————
Großvater Johann oder Joan gesucht – offensichtlich serbischer Herkunft
—————
Achtung - Raum Wr. Neustadt - Um 1946 - Schauplatz Schloss Katzelsdorf – Greta, eine Kindesmutter, sowie deren Angehörige werden gesucht.
—————
Vater – möglicherweise aus Marokko – eines Besatzungskindes gesucht.
—————
Angehörige von Augustin Schuha, 30 September 1911 in Hollabrunn geboren - gefallen am 22. Juli 1943 bei Prudok - gesucht
—————