27.12.2014 18:44

Abgängigenfahndung in Wien - Kurzdarstellung Lage 2014 - Gespräch mit Fachbereichsleiter „Abgängigkeit“ Chefinspektor Robert Staber

Wien ist mit 1.793.667 Einwohnern (Statistik Austria – 1. Oktober 2014) das an Bevölkerung stärkste Bundesland. So zeigt es sich nicht verwunderlich, dass sich dieses Faktum auch auf die Anzahl der erstatteten Abgängigkeitsanzeigen auswirkt und in Wien alljährlich die meisten Abgängigkeitsanzeigen Österreichs erfolgen. Im Berichtsjahr 2014 waren das bis zum Stichtag 18. Dezember 3.284 gemeldete Abgängige! Mathematisch betrachtet ergibt  das eine Gesamtjahreszahl von 3401 Abgängigkeiten für 2014. Das entspricht etwa 9 Abgängige pro Tag!

9 Menschen also, die täglich verschwinden – das klingt auf den ersten Blick doch beachtlich. Doch sieht man genauer hin, dann wird klar, dass tatsächlich kein Grund zur Sorge vorliegt. Zum einen lässt sich die vorerst vermeintlich große Anzahl von Abgängigkeitsanzeigen sehr schnell erklären und zum anderen verfügt Wien über einen effektiven Fahndungsmechanismus zur Aufenthaltsermittlung von Abgängigen und Identifizierung unbekannter Leichen. Näheres dazu werde ich im Folgenden schildern.

Am 19. Dezember traf ich mich mit Chefinspektor Robert Staber, Fachbereichsleiter „Abgängigkeit“ des Landeskriminalamtes (Assistenzdienste – AB 01 – Abgängige) der Landespolizeidirektion Wien. CI Robert Staber kenne ich schon aus „meiner Zeit“ der Abgängigenfahndung und ich freute mich daher besonders auf dieses Gespräch. Als ich bei ihm eintraf, war er gerade mit einem Mitfahndungsersuchen aus Niederösterreich beschäftigt. Von der Polizei wurde eine verwirrte Frau aufgegriffen. Alles was sie sagte war: „Ich heiße Brigitte und wohne in einem Heim!“ Wenn man so lange wie ich in diesem Bereich gearbeitet hat und auch so verbunden mit diesem Fachbereich war, dann scheint es wohl mehr als verständlich, dass ich am liebsten gleich „mitgefahndet“ hätte. Und noch während Robert und ich unsere Gesprächsvorbereitungen trafen, erledigte Robert auch schon so nebenbei erfolgreich „die Unbekannte“. Erfolgreiche Routine eines Spezialisten eben!

Warum also durchschnittlich 9 Abgängigkeitsanzeigen pro Tag? Robert erklärte mir nichts Neues. Es sind die vielen Heimzöglinge, also Jungendliche die sozusagen routinemäßig abhauen – Dauerentweicher! Vor Robert liegt eine Mappe mit allen, heuer noch nicht geklärten Abgängigkeitsfällen. Es sind 165. Viel? Nein, man braucht sich darüber keine Sorgen zu machen. Jene Fälle, deren Anzahl Nichtinformierten vielleicht nachdenklich stimmen würde, bergen keine Bedenklichkeit in sich. Neben vielen Dauerentweichern hat sich in die Statistik der Abgängigkeitsanzeigen eine neue Gruppe etabliert – die „UMF“. Das sind „unbegleitete minderjährige (bis unter 18 Jahre) Flüchtlinge (auch als unbegleitete Fremde und Asylwerber/Innen) bezeichnet.

Beleuchten wir also kurz die absolut dominierenden Felder der Abgängigenstatistik.

Die Heimzöglinge:

Sie waren – sind – und werden wahrscheinlich auch in Zukunft die Statistik dominieren. Die Gründe für deren Entweichen aus den Heimen sind vielseitig und eigentlich historisch. Es sind die Abenteurer, die einfach was erleben wollen und es toll finden, etwas Unerlaubtes zu tun; es sind die Suchenden nach Aufmerksamkeit – endlich steht man im Mittelpunkt, man wird gefahndet, man beschäftigt sich mit einem; und es sind – wenngleich in geringer Anzahl – die kriminellen Hintergründe, die zum Entweichen verleiten: Raubzüge, Prostitution, homosexuelle Szene und dergleichen.

Auch wenn in anderen Bundesländern die Problematik „Heimzöglinge“ besteht – Wien hat hier eine doch merklich dominante Szene – dies schon alleine aufgrund der Bevölkerungsdichte. Daraus ergibt sich auch die vermehrte Anzahl an Zöglingsheimen und  natürlich deren Bewohner.

Obwohl diese Gruppe der Abgängigkeiten auch die Hauptlast der Statistik trägt, so zeigt  dennoch die Analyse, dass den Abgängigkeitsgründen für gewöhnlich keine potentiellen kriminalpolizeilich relevanten Ursachen zu Grunde liegen.

Die „UMF - unbegleitete minderjährige Flüchtlinge/Fremde:

Laut der „UMF – Arbeitsgruppe unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ erreichten im Jahr 2013 etwa 1000 dieser unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge Österreich. Nähere Informationen zu diesem Themenkomplex finden Sie unter https://umf.asyl.at/

Die Abgängigenfahndung ist nun aus zwei Gründen von der Thematik betroffen.

Zum einen,  weil in Obsorgeangelegenheiten die unbegleiteten minderjährigen Asylwerber/Innen und Fremden vom Amt für Jugend und Familie vertreten und in Heimen untergebracht werden. Entweicht von hier nun einer dieser UMF, dann muss aus rechtlichen Gründen – weil der Aufsichtspflicht nicht mehr nachgekommen werden kann – eine Abgängigkeitsanzeige erstattet werden.

Zum anderen werden leider auch etliche dieser mittellosen minderjährigen „Heimatsuchenden“ von kriminell organisierten Gruppen schamlos missbraucht und zum Betteln und zu Taschendiebstählen gezwungen. So werden immer wieder „UMF“ bei diesen Handlungen betreten. Sie werden schlussendlich wieder in Heimen untergebracht, von wo viele erneut entweichen. Zusätzlich problematisch zeigt sich der Umstand, dass die meisten keine Ausweispapiere besitzen und somit der Nachweis der tatsächlichen Identität zumeist schwer bis gar nicht möglich ist.

Und eben diese zumeist nicht feststellbare Identität ist auch ein Übel in der Statistik und wie folgt leicht verständlich: Ein Minderjähriger wird in einem Heim mit den von ihm selbst angegebenen Namen und Geburtsdaten – keine Ausweispapiere – untergebracht. Entweicht nun dieser vermeintlich Jugendliche und gelangt in das  Ausland, wo er vielleicht wieder unter einem anderen Namen aufgegriffen wird, dann hat die „offene“ Abgängigkeitsanzeige in Österreich die allerschlechtesten Chancen, wiederrufen zu werden.

Ich habe die dargelegte Problematik „UMF“ ausführlicher geschildert, weil deren statistische Auswirkungen nicht unwesentlich sind und bei Fehlinterpretation der Daten ein verfälschtes Bild der tatsächlich sehr erfolgreichen Abgängigenfahndung in Wien entstehen kann.

Die „echten Abgängigkeiten“

Wenngleich rechtlich betrachtet die bereits angesprochen Gruppen selbstverständlich zu den „Abgängigkeiten“ zählen, so haben sich für mich persönlich Profile von Abgängigen herauskristallisiert, denen ich den Begriff „Abgängigkeit“ mit Vorzug zuordnen wollte.

Das sind grundsätzlich Menschen aller Altersgruppen und sozialen Schichten, die plötzlich und unerwartet aus dem Alltag verschwinden. Explizit hier gilt eine sofortige Ursachenforschung und anlassbezogene, den Umständen mögliche Fahndunsmaßnahmen. Hier finden wir unter anderem Selbstmörder, Unfallopfer, verwirrte und orientierungslose Menschen, verlaufene Kinder, Kindesentziehungen und selbstverständlich auch Opfer von Gewaltverbrechen.

Im Fachbereich  AB 01 – Abgängige – des Landeskriminalamtes Wien hat CI Robert Staber über all diese Fälle den absoluten Überblick. Alle Abgängigkeiten, unbekannte Leichen und Personen werden hier gemeldet. Ebenso langen Mitfahndungsersuchen von den Bundesländern und Interpol ein. Für den gesamten Fahndungsbereich, bestehend aus „Zielfahndung“, „Hotelkontrolle“ und „Abgängigenfahndung“ stehen insgesamt 12 Beamte/Innen zur Verfügung. Alles in allem also eine kompetente schlagkräftige Mannschaft, die sich auch im kommenden Jahr 2015 den Herausforderungen stellen wird. Waren es im Berichtsjahr 2012 insgesamt 3069 in Wien erstattete Abgängigkeitsanzeigen, werden für das Berichtsjahr 2014 3401 Anzeigen prognostiziert. Das ist ein Mehr um 332 Anzeigen.

Zur Veranschaulichung:

Der folgende Auszug aus dem Abgängigen-Anzeigenprotokoll für Wien, den 18. Dezember 2014 zeigt ein Profil der üblichen Abgängigenlandschaft.

Hannelore S. -  geboren 2002, abgängig aus Wien 22

Sebastian L. -  geboren 2002, abgängig aus Wien 22

Jennifer K. -  geboren 1998, abgängig aus Wien 2

Jasmine F. – geboren 1999, abgängig aus Wien 9

Michelle H. - geboren 1997, abgängig aus Wien 15

Denise R.- geboren 1997, abgängig aus Wien 15

Miroslav R. - geboren 1999, abgängig aus  Wien 17

Ömer  C. - geboren 1998, abgängig aus  Wien 16

Vadzim V. - geboren 1990, abgängig aus Wien 1

Jiang H. - geboren 1997, abgängig aus Wien 12

Mario K. - geboren 1998, abgängig aus Wien 10

Peter R. - geboren 1973, abgängig aus Wien 10

Resümee:

Dem Fachbereich AB 01 wird es auch hin künftig nicht an Arbeit fehlen. Es ist zu erwarten, dass auch in den kommenden Jahren die Anzeigenanzahl nicht sinken wird.

Chefinspektor Robert Staber - Fachbereichsleiter „Abgängigkeit“

 

—————

Zurück


Kontakt

www.abgaengig-vermisst.at


Neuigkeiten

15.03.2024 10:38

Wohin uns die Sehnsucht treibt - Besatzungskind Brigitte Mader zu Gast im Nachtcafè

Im SWR Fernsehen - 15. März 2024 - 22:00 Uhr Talkshow mit Michael...

Weiterlesen

—————

Alle Artikel

—————


Schlagwörter

Die Schlagwörterliste ist leer.



Angehörigensuche

20.01.2019 14:34

Abdugalimov Kairat Mansurowitsch (Абдугалимов Кайрат Мансурович) - Auf der Suche nach Besatzungskindern (Befreiungskindern) in Österreich!

Liebe Leserin, lieber Leser! Wir  - „Österreich findet euch“ e.V. beobachten ein neues Phänomen:  Immer häufiger suchen Menschen aus Russland und den Staaten der ehemaligen Sowjetunion die Nachkommen eines ehemaligen sowjetischen Soldaten und einer Österreicherin.  Wir stehen nun...

Weiterlesen

—————

06.01.2019 16:59

Der russische Kindesvater heißt REPIN Stephan Danilovish geboren am 19.12.1911. Sein Enkel KIBISHEV Ilham Dajanovish, geboren 15.01.1965  sucht nun die Kinder von Danilovish (also Onkel oder Tante) oder andere Angehörige. Zum Sachverhalt: REPIN Stephan Danilovish, geboren am 19.12.1911 war...

Weiterlesen

—————

01.10.2018 08:39

Angehörigensuche: Mireille sucht nach ihrer Tante Elena MELISOVA (D/SK)

Mireille war mit Unterstützung unseres Vereins auf der Suche nach ihrem Patenonkel. Er konnte gefunden werden, ist jedoch leider bereits verstorben. Im Laufe der Suche nach ihrem Patenonkel meldete sich die Hebamme (Fr. LEV) die bei der Geburt von Mireille dabei war. Über den Kontakt mit Fr. LEV...

Weiterlesen

—————

25.05.2018 20:35

Neffe Friedrich gesucht - dessen Mutter war in Absam/Tirol Köchin

Wieder einmal versuchen wir, die Nadel im Heuhaufen zu finden! Wir wissen leider nicht viel, bloß: Herta St. sucht nach ihrem Neffen Friedrich. Er müsste nun etwa 40-45 Jahre alt sein. Seine Mutter war Köchin in Absam/Tirol und heißt Monika.  Sie hat noch eine Tochter mit Namen Michaela. Der...

Weiterlesen

—————

13.05.2018 16:30

Sohn sucht Vater - Heinz Helmut Hoffmeister oder Hofmeister - gesucht!!!

Der Gesuchte war als Erntehelfer und Waldarbeiter bei Familie Eder vulgo „Hopfnerbauer“ in Rinn bei Innsbruck/Tirol - wahrscheinlich in den Jahren 1943/1944/1945 - tätig. Auf jeden Fall aber im Dezember 1944, weil am 30.09.1945 der suchende Sohn in Innsbruck geboren wurde. Der Gesuchte stammt aus...

Weiterlesen

—————

06.05.2018 15:09

Im Krieg vermisst - Tochter sucht Vater

Seit 18. März 1944 wird Uffz. Siegfried Haas nach einem russischen Panzerangriff vermisst. Das schrieb am 18. Mai 1944 die 1. Batterie Beobachtungsabteilung 21 an die Mutter des Vermissten. Heute fragt sich die Tochter des Vermissten immer noch: Was geschah mit meinem Vater?

Weiterlesen

—————

11.03.2018 18:54

Salzburg - Jugend- und Brieffreund gesucht

Vor ca. 30 Jahren – vielleicht auch ein bisschen mehr –war Frau Helena Oberhuber - nun Herzog. mit einer Jugendgruppe aus Osttirol unter Leitung von Pater Wolfgang Heiss in Salzburg. Dort lernte Helena Herrn Alois Radauer aus Thalgau (Salzburg) kennen. Es bestand langer Briefkontakt, der irgendwann...

Weiterlesen

—————

11.03.2018 13:31

Opas Nachkommen gesucht - Opa Josef Vetrovsky wohnte in Wien und wurde 1959 auf dem Wiener Südwest Friedhof begraben

Enkelin Martina Hummel, geborene Spurny versucht ihr Glück – vielleicht helfen diese Zeilen, damit Menschen wieder zusammen finden! Großvater Josef Vetrovsky (Schreibweise kann variieren) wurde am 3.1.1890 irgendwo in Tschechien (Gebiet der ehemaligen Tschechoslowakei) geboren. Er kam später nach...

Weiterlesen

—————

08.01.2018 19:36

Jeannette sucht ihre Halbschwester

Jeannettes Botschaft an ihre Halbschwester: Liebe unbekannte Halbschwester! Ich weiß nicht viel über dich. Du wurdest nach 1959 geboren in Österreich. Deine Mutter hatte mittelblonde Haare und ist Sternzeichen Stier. Sie hatte eine Freundin, die keine eigenen Kinder bekommen konnte. So hat deine...

Weiterlesen

—————

12.12.2017 16:39

Angehörigensuche - Manfred LORENZ sucht nach Vorfahren

Manfred LORENZ (geb. 09.10.1955 in Wien) ist auf der Suche nach Vorfahren väterlicherseits.  Bekannt sind folgende Daten: Vater: Ernst LORENZ (geb. 27.3.1911, in Wien) Großvater: Leopold Rudolf LANZ (geb. 06.09.1888, in Wien), Großmutter: Marie LORENZ Urgroßvater: Anton LANZ (geb. 25.05.1842...

Weiterlesen

—————